Conditio Humana
Die Verteidigung der Geschichte


KOMMENTAR:
JONS MAREK SCHIEMANN
BILDER:
THEMATRIX.COM / WARNER BROS


Es ist nur zu verständlich, in diesen schwierigen Zeiten der Massenarbeitslosigkeit, der Wirtschaftskrise und der Unsicherheit des Staates, in fremde Welten zu entfliehen. Dort kann sich jeder gegen die Orks wehren und gegen die Matrix kämpfen, in der wir gefangen sind. Gegen die Rationalisierung durch Maschinen wehrt sich der Mensch dann aber ausgerechnet wieder mit einer Maschine und schickt den Terminator zum dritten Mal ins Rennen.

Der Rückgriff auf eine ferne Zeit, die nicht notwendigerweise als glorreich dargestellt wird, ist für mich ein Indiz dafür, dass die jetzige Zeit nicht dazu geeignet ist, sich durch sie unterhalten zu fühlen und sich darin wohl zu fühlen.

Darin liegt aber auch ein Problem: Geschichte ist nicht starr, sondern veränderlich. Eine historische Epoche wird nach den Sichtweisen der jeweiligen Gesellschaftszustände analysiert und interpretiert. Nicht anders ist das auch im Film. Kurz nach dem 11. September kamen eine Reihe von Kriegsfilmen in die Kinos, die dem tief verunsicherte amerikanische Volk etwas mehr Selbstvertrauen bringen sollten. Seht her! Wir packen das. Wir haben zwar Verluste, aber letztendlich werden wir siegen! Krieg und Propaganda sind auch in Unterhaltungsmedien schon seit jeher miteinander verbunden.

AUSGABE 35
SCHWERPUNKT AUFBRUCH 2004




STARTSEITE

EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT HANS LEYENDECKER
VIRTUELL EXISTIERENDER SOZIALISMUS
INTERVIEW MIT HOLGER JUNG
EINEN VERSUCH WAR ES WERT
INTERVIEW MIT SEBASTIAN KRÜGER

LASST BARBIE UND KEN IM KARTON!
DIE VERTEIDIGUNG DER GESCHICHTE

VORAN, ZURÜCK?

ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
PRESSESERVICE
IMPRESSUM




Diesen Artikel drucken Diesen Artikel an einen Freund senden

Anders liegt es aber in diesem Kinojahr: nicht die Gemeinschaft steht im Mittelpunkt, sondern der Einzelne, der es mit Anstrengungen schafft über sich selbst hinaus zu wachsen und für andere zu handeln. Sei es Neo, der neue Erlöser, in seinem Kampf gegen die Matrix,

SCHWARZENEGGER IN TERMINATOR 3

wobei der Sinn und die Philosophie des ersten Teils schon im zweiten Teil in der Flut der digitalen Tricks ertrank. Oder Teams wie die Fußballelf im „Wunder von Bern“ und, ja auch da, in „X-Men 2“. Überhaupt die Comicverfilmungen: der wachsende Erfolg und die damit verbundene größere Zahl von Comicverfilmungen nach Jahren des Siechtums ist ein Zeichen für die Sehnsucht des einzelnen, sich gegen die Widrigkeiten der heutigen Zeit wehren zu können. Von Spiderman, über Daredevil und den Hulk bis hin zu den Außergewöhnlichen Gentlemen, kämpfen Individuen nicht nur für die Gemeinschaft, sondern auch gegen ihre eigenen Unzulänglichkeiten. So weit nichts Neues, aber der Clou besteht jetzt darin, dass die individuellen Schwierigkeiten nicht beseitigt werden, sondern der Held lernt, mit ihnen zu leben. Daredevil ist und bleibt blind, aber er kämpft gegen das Böse.

Und so ist eine Tendenz dieses Kinojahres für mich eine erfreuliche: auch wenn viele der Erfolgsfilme Fortsetzungen waren, ist für mich ersichtlich, dass der Fokus darauf liegt, wieder Geschichten zu erzählen und das Publikum nicht mit digitalen Effekten zu erschlagen. Ich behaupte, dass sich die Effekte wieder mehr der Geschichte unterordnen und sie unterstützen, nicht umgekehrt. Damit geraten der Mensch und seine Probleme wieder in den Vordergrund. Seine Geschichte wird erzählt und auch in einen historischen Kontext gebettet. Und so kann sich jeder auch in der (doppelten) Geschichte wieder finden, unterstützt von der Technik.


ZUM SEITENANFANG


Diesen Artikel an einen Freund senden

DIESE SEITE EMPFEHLEN


Bitte geben Sie hier die E-Mail-Adresse des Empfängers ein.