Schwerpunkt Amerika
mit H. J. Krysmanski


FRAGEN/BILDAUSWAHL:
BJÖRN BRÜCKERHOFF UND KAI HALLER


In der Reihe Fünf Fragen Zehn Antworten konfrontiert Die Gegenwart Experten mit fünf Fragestellungen und fünf Bildern. Was die Befragten aus dieser Aufgabe machen, bleibt ihnen überlassen. In dieser Ausgabe der Gegenwart hat Professor Hans Jürgen Krysmanski von der Universität Münster die Herausforderung angenommen.
 

AUSGABE 36
SCHWERPUNKT AMERIKA




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EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT M. MÜLLER V. BLUMENCRON
ANDY WARHOLS TIME CAPSULES

EXPLOSION/IMPLOSION
MILITAINMENT MADE IN WASHINGWOOD
FÜNF FRAGEN - ZEHN ANTWORTEN

IM WESTERN NICHTS NEUES
VIER RINGE DER MACHT
MACHT STATT MUSKELN
KAMPAGNEN FÜR DIE MORAL
FROM WURSTFEST TO GEMUETLICHKEIT
1, 2, 3 FROM NEW YORK TO GERMANY


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1) Welches Buch hat Ihr Leben verändert?
'
Das Kapital’ von Karl Marx.

2) Welche Person würden Sie gern einen Tag lang sein?
Der letzte Mensch.
3) Ihr größter Fehler?
Mein Geheimnis.
4) Ihr Motto?
Always historicize!
5) Ihr nächstes Ziel?
Der nächste Text.

6) Paul O'Neill

Die heutige Herrschaftsform des Kapitalismus, am Ende der Moderne, tendiert auf Plutokratie. Diese Herrschaftsform ist in den USA am weitesten ausgebildet. Zwischen und innerhalb der ver-

schiedenen an der Herrschaft beteiligten Gruppen – den Superreichen, der Managerkaste (der O’Neill angehört), der politischen Klasse, den Technokraten (siehe den angehängten Text ‚Ringmodell’) – gibt es natürlich viele und ernsthafte Interessengegensätze. Da dieses postmoderne Herrschaftssystem sich nur noch begrenzt über staatliche Strukturen und in wachsendem Maße über ‚Netzwerke’ vermittelt, kommen diese Interessengegensätze zunehmend chaotisch, in überraschender und zum Teil grotesker Form zum Ausdruck: vom kleinen ‚whistleblower’ bis zum gekränkten Ego eines Bosses wie O’Neill, der sich souverän fühlen kann in einem Milieu, das ohnehin nur noch einander bekämpfende Clans, Dynastien und Cliquen kennt. Die Signale und Informationen aus diesem Gezänk kritisch aufzunehmen, zu analysieren und zu interpretieren gehört zum Interessantesten, was ein Sozialwissenschaftler heute tun kann. (Bild: Der ehemalige US-Wirtschaftsminister Paul O'Neill).
 

7) Baschar al-Assad

Autokratische Regimes, deren Produkt auch dieser in Oxford ausgebildete junge Mann ist, entwickeln sich an der Peripherie des ‚Empire’, dort, wo die Interessengegensätze scharf und die Beute (etwa das Öl oder der

geostrategische Vorteil) groß sind. Am Anfang stehen der von außen geförderte Aufstieg politischer oder militärischer Führer (wie al-Assad-Vater oder Saddam Hussein), am Ende oft gewisse Modernisierungserfolge, politische Dynastien und ein nach Autonomie strebender Nationalismus. Das alles irritiert die ursprünglichen Auftraggeber. Soll ihre Einflusssphäre neu geordnet werden, wie jetzt durch den Angriffskrieg gegen den Irak, juckt es den Ratgebern des ‚Empire’, wie Richard Perle, in den Fingern, mit solchen Regimes, so nützlich sie zu Zeiten waren, kurzen Prozess und tabula rasa zu machen. Insofern kann einem Baschar al-Assad leid tun. (Bild: Der syrische Staatspräsident Baschar al-Assad).

 

8) Spirit

Ich finde einerseits: weiter so. Die unbemannte Erkundung des Sonnensystems ist wohl nötig, um frischen Wind, Sonnenwinde durch unsere Köpfe zu pusten. Es sind vor allem Millionen von

Kids, die derzeit die Bilder von‚Spirit’ und ‚Opportunity’ von der NASA-Website runterladen. Diese Neugier und Begeisterung begeistert und macht neugierig. Andererseits fließen die Milliarden, die für die Weltraumforschung ausgegeben werden, weitestgehend in die Taschen des Militär-Industrie-Komplexes. Und da kommt es dann zu so katastrophalen Fehlentscheidungen wie der anstehenden Aufkündigung der Wartung des Hubble-Teleskops, das unsere Köpfe durch seine Bilder aus den Grenzzonen des Weltalls schon viel, viel mehr aufgehellt hat als der kleine ‚Spirit’. Und Bushs puerile Fantasien von einer bemannten Eroberung des Sonnensystems dienen einzig und allein der Umlenkung von noch mehr Mitteln in die Taschen der Rüstungsindustrie (Bild: Der Mars-Rover).
 

9) Enron

Flora Lewis, die verstorbene linksliberale Leitartiklerin der New York Times, schrieb vor zwei Jahren: "Es gibt eine tiefere Verbindung zwischen den beiden großen

Schocks, denen zwei Kraftzentren des Kapitalismus, das World Trade Center und Enron, zum Opfer fielen. Wir wurden daran erinnert, wie verwundbar der Westen ist, selbst in jenen Bereichen der modernen Welt, die er dominiert." Die Aufarbeitung des Enron-Skandals wird seitdem systematisch verschleppt, auch wenn Leute wie Michael Moore sich kräftig bemühen. An Ken Lay, den entehrten Chef von Enron und Hauptverantwortlichen der Riesenbetrugsoperation, die zigtausend Beschäftigte arbeitslos und ohne Alterssicherung hinterließ und vor allem kleine Aktionäre um ihr Geld brachte, ist bis heute kein Herankommen. Denn der hatte Bush-Sohn während des Wahlkampfs nicht nur seinen corporate jet, sondern auch mehr soft money als irgendein anderer Spender zur Verfügung gestellt. Ken Lay wählte die Spitzenleute des Energieministeriums aus und gründete mit Dick Cheney (bis 2000 Topmanager der Ölfirma Halliburton) jene energy task force, die eine neue Energiepolitik und darüber hinaus die neuen ölgetränkten geostrategischen Konzepte entwickelte. Lawrence Lindsay, Bushs seinerzeitiger Chefberater in Wirtschaftsfragen, kam aus dem Dunstkreis der Enron-Connection, auch unser Finanzminister Paul O'Neill, desgleichen Robert Zoellick, Bushs Federal Trade Representative, und der Bürochef des Weißen Hauses, Karl Rove. Zugleich hat der Enron-Zusammenbruch aber in den Mittelschichten, die dem plutokratischen System immer mehr zu Diensten geworden waren, Zweifel und Widerstand erzeugt, der sich im Wahlkampfjahr noch auswirken wird. (Bild: Enron-Logo).

 

10) Die U.S.-Berufsarmee unterliegt nicht erst seit dem 11. September 2001 einer tiefgreifenden Umwandlung. Kriege im klassischen Sinne werden abgelöst durch globale, transnationale Militäraktionen unter Einbeziehung von Cyber-

technologien. Das schlägt sich auch in der Zusammensetzung dieser Armee nieder. Die hier abgebildeten einfachen GIs sind die ‚dust eaters’, sie entstammen den Unterschichten und sind der Arbeitslosigkeit oder einem Job bei McDonald’s entflohen. Sie müssen bluten. Dann gibt es die Special Forces, hochausgebildete Spezialeinheiten, die inzwischen überall auf der Welt und oft unerkannt operieren. Völlig abgehoben von diesen und ein paar anderen Gruppen ist die Welt der Generäle, vor allem der Spitzengeneräle, die sich ebenso sicher in der Wirtschaft und in der Politik bewegen und mit diesen Eliten vielfach vernetzt sind. Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen dem durch die Armee verkörperten staatlichen Gewaltmonopol und einer ‚Privatisierung des Militärischen’ immer fließender werden. Im Irak-Krieg 1991 kam auf 100 Soldaten 1 private Sicherheitskraft, derzeit ist das Verhältnis im Irak schon 10:1, und die Grauzonen sind beträchtlich. Aber auch die Armee selbst dient immer mehr privaten Profitinteressen, wie sich an den Selbstbedienungsszenarien der Bechtel- und Halliburton-Konzerne im Irak nachweisen lässt. Der angesehene Leitartikler der New York Times, Bob Herbert, schreibt: „Denken wir doch nur an die Interessen der einfachen Soldaten, die in diesem Krieg gekämpft, Sand gefressen und ihr Blut in der Wüste vergossen haben, und an die ganz anderen Interessen jener Händler der Macht, die wie verrückt für die Realisierung dieses Krieges kämpften und in jeder Phase an ihm profitieren.“ (Bild :Time)


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