Sicherheit = Datensicherheit?

Datenschutz und das neue Telemediengesetz








Text:
Jens O. Brelle    Bild:
Craig Jewell



In Kraft getreten am 1. März 2007 ersetzt das neue Telemediengesetz die bislang geltenden Normen des Teledienstegesetzes, des Teledienstedatenschutzgesetzes und des Mediendienste-Staatsvertrages. Das neue Telemediengesetz enthält nun auch Datenschutzregelungen. Zur Bekämpfung von Spam-E-Mails wurde ein Bußgeldtatbestand geschaffen. Das neue TMG regelt zudem auch die Informationspflicht der Diensteanbieter und insbesondere die Impressumspflicht im Internet.

Der Hamburger Medienanwalt Jens O. Brelle beantwortet in diesem Beitrag wichtige Fragen rund um das neue Telemediengesetz.


Überwachung im Netz


Welche Tendenzen ergeben sich aus den Neuregelungen für das World Wide Web? Ist das Netz bald kein Ausdruck unbegrenzter Freiheit und Anonymität mehr, sondern die Überwachung eines gläsernen Users? Fakt ist, dass jeder Schritt im Internet gespeichert wird. Sei es bei der Shoppingtour bei QVC und Co, der Selbstdarstellung in Social Websites á la „Myspace“ und „StudiVZ“ , oder auch dem illegalen Download diverser Raubkopien.

Nach bislang geltendem Recht war nun ein direkter Auskunftsanspruch von Privaten unzulässig, bei Providern personenbezogene Daten des einzelnen Users zu verlangen. Wollte beispielsweise Sony gegen illegale Musiknutzer vorgehen, musste das Label bisher den umständlichen Weg der Strafanzeige gegen Unbekannt gehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte dann über die mitprotokollierte IP-Adresse den Nutzer.

Durch das neue Telemediengesetz (TMG) geht es nunmehr einfacher: Anstatt der Ermittlung des Namens durch die Strafverfolgungsbehörden mit anschließendem Antrag der Anwälte auf Akteneinsicht können diese nun auf direktem Wege dem Übeltäter mit ihren zivilrechtlichen Schadensersatz- bzw. Unterlassungsansprüchen zu Leibe rücken. Durch die Neugestaltung des TMG ist es in Zukunft Privaten erlaubt, bei Providern direkt Auskunft über personenbezogene Daten zu verlangen, soweit sie eine Verletzung ihres geistigen Eigentums oder ausschließlicher Nutzungsrechte glaubhaft machen können. Diese Daten können ohne eine vorherige Erlaubnis gespeichert werden.


Was ist Datenschutz?

Datenschutz dient dem Schutz von natürlichen Personen und deren personenbezogenen Daten. Personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse der Person, wie zum Beispiel Name und Adresse. Der Datenschutz soll gewährleisten, dass jeder selbst entscheiden kann, ob und wem seine persönlichen Daten zugänglich gemacht werden. Der Datenschutz soll also den so genannten „Gläsernen Menschen“ verhindern.


Wie werden personenbezogene Daten
geschützt?

Der Datenschutz wird in Deutschland durch verschiedene Gesetze gewährleistet:

Das Bundesdatenschutzgesetz
Zuerst ist hier das Bundesdatenschutzgesetz zu nennen. Nach diesem Gesetz soll jeder entscheiden können, welche Daten bekannt gegeben werden sollen. Dies stellt so zu sagen eine allgemeine Grundlage dar. Daneben bestehen etliche Sonderregelungen.

Das Telemediengesetz (TMG)
Das Telemediengesetz ist seit dem 1. März 2007 in Kraft. Es ersetzt die bis dahin geltenden Regelungen des Teledienstestaatsvertrages, des Teledienstedatenschutzgesetzes (TDDSG) und des Mediendienstestaats-vertrages. Das TMG ist eine der zentralen Regelungen im Bereich des Internetrechts. Die für den Datenschutz relevanten Vorschriften wurden weitestgehend in das TMG übernommen. Der Begriff Telemedien setzt sich zusammen aus Teledienste und Mediendienste. Telemedien sind nach § 1 TMG alle Informations- und Kommunikationsdienste. Ausnahmen zu diesem Grundsatz findet man in § 3 Nr. 24, Nr. 24 und in § 2 des Rundfunkstaatsvertrages (vgl. § 1 Abs. 1).

Die ursprünglichen Regelungen
Nach den ursprünglichen Regelungen durften Anbieter personenbezogene Daten von Dritten nur mit dessen Einwilligung erheben, verarbeiten und nutzen. Hiervon abgesehen durfte der Anbieter personenbezogenen Daten an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für Zwecke der Strafverfolgung weiterleiten. Nach dem TDDSG hatten nur die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte die Auskunftsmöglichkeiten von personenbezogenen Daten.

Die Neuerungen des TMG
Das neue TMG sieht die Möglichkeit vor, dass der Diensteanbieter Auskunft über personenbezogenen Daten nicht mehr nur zum Zwecke der Strafverfolgung, sondern auch zur Gefahrenabwehr, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erteilen darf. D. h., dass auch Private die Nutzerdaten anfordern können, sofern es "zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist". Das wiederum heißt, dass zum Beispiel Plattenfirmen, bei einem entsprechenden Verdacht, die Daten von mutmaßlichen Raubkopierern anfordern können.

Das Gesetz regelt ferner den elektronischen Geschäftsverkehr, d. h. es gilt für alle Anbieter von Informations- und Kommunikationsdiensten, sowie für öffentliche Stellen. Ob die Nutzung dabei gegen Entgelt oder unentgeltlich erfolgt, spielt keine Rolle. Im Konkreten bedeutet das, dass Anbieter von Online-Shops, aber auch Unternehmen, die sich mit einer Homepage im Internet präsentieren, die Vorschriften des TMG beachten müssen. Gem. § 3 TMG gilt hier das so genannte Herkunftslandprinzip, das heißt, das TMG gilt für einen in Deutschland niedergelassenen Diensteanbieter von Telemedien generell auch dann, wenn die Telemedien in einem anderen Staat innerhalb der EU geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden.


Welche Auswirkungen hat diese Neuerung auf den Nutzer?

Durch den Auskunftsanspruch Privater wird der Datenschutz erheblich eingeschränkt. Unter dem Vorwand gegen Raubkopierer vorzugehen wurde nun die Möglichkeit geschaffen, Daten ohne Erlaubnis zu speichern und weiterzugeben. D. h., ein Internetprovider kann sich nun nicht mehr auf den Datenschutz berufen, wenn ein privater Dritter, z. B. eine Plattenfirma, die Identität eines Kunden des Providers ermitteln möchte. Dies stellt einen nicht unerheblichen Eingriff in die Privatsphäre des Nutzers dar, der außerhalb des Internets so nicht vorkommt. So hat der Bundesverband der Verbraucherzentrale festgestellt, „dass kein Supermarkt auf die Idee käme, die Kfz-Kennzeichen seiner Kunden auf dem Parkplatz zu notieren, die IP-Adressen jedes Internetnutzers aber von den Zugangsprovidern über einen längeren Zeitraum gespeichert werden“. Dies kann vor allem im Hinblick darauf, dass diese Aufweichung der Datenschutzregelungen auf Drängen der Unterhaltungsindustrie zu Stande gekommen ist, damit diese ohne den beschwerlichen Weg über die Strafverfolgungsbehörden nehmen zu müssen, um an personenbezogenen Daten von Internetnutzern zu kommen, nicht verhältnismäßig sein.

Weitere Änderungen im neuen TMG betreffen insbesondere die Impressumspflicht. Die Pflichtangaben im Impressum wurden dahingehend erweitert, dass gem. § 5 TMG die Diensteanbieter für geschäftsmäßig angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein müssen: 

  • Name und (Niederlassungs-) Anschrift; bei juristischen Personen: Rechtsform, Vertretungsberechtigter und Kapital

  • Angaben zur Kontaktaufnahme

  • Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, wenn der Dienst eine behördliche Zulassung bedarf

  • Angabe von Registereintragungen

  • Angaben im Falle reglementierter Berufe

  • Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Wirtschafts-Identifikationsnummer

  • Abwicklung oder Liquidation

Für kommerzielle Kommunikationen gelten gem. § 6 TMG besondere Informationspflichten.

Diese erforderlichen Angaben müssen hinter dem Button Impressum, Kontakt oder Anbieterkennzeichnung leicht zu finden sein, dass heißt entweder durch Anklicken von zwei aufeinander folgenden Links oder in der Navigationsleiste, jedoch nicht am unteren Rand, wenn er dadurch nur durch scrollen erreicht werden kann. Diensteanbieter die absichtlich oder fahrlässig die Informationen überhaupt nicht, fehlerhaft oder unvollständig erteilen, müssen gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro rechnen.
 
Die Versendung von unbestellten E-Mails (Spams) kann durch das neue TMG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Bei einer Werbe-Email darf daher in der Kopf- oder Betreffzeile nicht absichtlich der Absender verschleiert oder verheimlicht werden. Ist dies nicht erkennbar, kann ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro verhängt werden. Das neue TMG verschärft damit die bereits bestehenden Regelungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 UWG.
 
Die Norm regelt damit also, wie Werbe-Emails versendet werden müssen, nicht aber ob und wann ungefragte E-Mails versendet werden dürfen. Ziel dieser Regelung ist die Gewährleistung bestmöglicher Transparenz und Entscheidungsfreiheit für den Empfänger.
 

Das Informationsfreiheitsgesetz
 
Die Informationsfreiheitsgesetzte sollen dem Bürger den freien Zugang zu den der öffentlichen Verwaltung vorliegenden Informationen gewähren. Aus den Informationsfreiheitsgesetzen ergibt sich unter Umständen ein Auskunftsanspruch des Bürgers. Dieser Anspruch kann sich auch auf personenbezogene Daten Dritter erstrecken. Erforderlich hierfür ist die Einwilligung des Betroffenen, ein überwiegendes Informationsinteresse des Antragsstellers oder schutzwürdige Interessen Dritter.



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usgabe 53
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Der Autor



Jens O .Brelle

Geboren am 15. November 1968. Hamburger Medienanwalt.
Seit 2004 freier Dozent am Institut für Kultur- und Medienmanagement, Hamburg. Seit 2003 Rechtsdozent an der Akademie Mode und Design GmbH (AMD), Hamburg. Seit 2003 Contributor beim M-109 Network "M-Publication", Frankfurt. Seit 2000 Rechts- und Medienanwalt, Hamburg & Berlin. Die Kanzlei betreut kreative und gestalterisch tätige Unternehmer. Der kostenlose Newsletter Art-Lawyer®.DE #actuals bringt immer montags aktuelle Rechtsinfos, Wirtschaftsnews und Veranstaltungstipps aus der Design-, Medien- & Kulturbranche.