Geheimhaltung war das Schlüsselelement

Interview mit Markus Langer, Leiter Konzernmarketing bei Evonik Industries,
zur Einführung der Marke „Evonik“



A
usgabe 55
Achtung: Aufmerksamkeit




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Editorial von Björn Brückerhoff
Geheimhaltung war das Schlüsselelement“.
Interview mit Markus Langer

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Presse

Interview: Björn Brückerhoff    Bild: Evonik Industries/Christian Schlüter
 

Wenn ein Unternehmen einen Neuanfang markieren will, muss oft ein neuer Name her. Das ist die Stunde der Markengestalter. Im Herbst 2007 war wieder Zeit für eine große Enthüllung.

Doch ein Schritt zurück: Aus der RAG AG (ehemals Ruhrkohle AG) ist im September 2006 ein Unternehmen ausgegliedert worden, das die ehemaligen RAG-Sparten Chemie, Energie und Immobilien vereint. In der RAG-Unternehmenssprache heißen diese Sparten "weißer Bereich". Das Unternehmen trug zunächst die sperrige Bezeichnung RAG-Beteiligungs-AG. Ein Wort-Ungetüm, das nicht für einen Neuanfang in der Markenkommunikation taugt. So beauftragte man den Werbetexter und Markengestalter Manfred Gotta, dem neuen Kind einen Namen zu verpassen, der etwas mehr nach Aufbruch klingt. Gotta zählt zu den erfolgreichsten Vertretern seiner Zunft. Er hat vieles von dem benannt, was wir heute täglich nutzen: Autos, Waschmittel, Telefongeräte, Software.

Das Ergebnis klingt technisch, leicht und ein bisschen wie eine Firma aus einem Science-Fiction-Film: Evonik Industries, kurz Evonik. Die RAG gibt es freilich weiterhin, sie umfasst den schwarzen Bereich, das Bergbaugeschäft.

Markus Langer leitet die Abteilung Konzernmarketing von Evonik. Er verantwortet damit die Steuerung der neuen Konzernmarke. Doch bevor die Marke mit Relevanz aufgeladen werden konnte, musste sie mit viel Schwung die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppen binden. Und diese Zielgruppen sind äußerst vielfältig.

Im Neue Gegenwart-Interview spricht Markus Langer über die Strategie hinter der Markeneinführung und die crossmediale Kampagne "Wer macht denn so was". Und er berichtet darüber, wie Evonik den Markennamen 16 Monate lang geheim halten konnte obwohl bei der Markeneinführung ein Großplakat zum Einsatz kam, das fast die gesamte Fassade der Konzernzentrale beanspruchte.


Herr Langer, wie sind die Kampagnen zur Einführung der Marke Evonik aufgebaut?

Markus Langer: Im Herbst 2007 ging es darum, die Marke Evonik einzuführen. Für diese neue Marke mussten wir erst einmal Relevanz schaffen. Man kann ja nicht per se eine große Aufmerksamkeit erwarten, wenn sich ein Unternehmen einen neuen Namen gibt. Schließlich hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Unternehmen umbenannt, ohne dass dies eine große Resonanz gefunden hätte. Wir wollten eine neue Unternehmensmarke einführen und sie bei unseren wichtigen Zielgruppen verankern. Damit brauchten wir eine aufmerksamkeitsstarke Einführungskampagne. Der Dreh- und Angelpunkt war die Geheimhaltung des Markennamens. Wir haben den Namen 16 Monate lang geheim gehalten. Um diese Geheimhaltung herum konnten wir eine Einführungskampagne konzipieren, die zweigeteilt war. In der „Teaserphase“ haben wir mit überraschenden Bildern und der Frage „Wer macht denn so was?“ – aber ohne Absender – Neugier geweckt. Diese Phase begann im Internet bereits drei Wochen vor der Veröffentlichung des neuen Namens, im Fernsehen und in den Printmedien ging es zehn Tage vorher los. In der sechswöchigen Auflösungsphase haben wir anschließend das Geheimnis um Absender und inszenierte Leistungen gelüftet. Durch diese Konzeption haben wir es geschafft, eine große Neugier auf das, was da kommen würde, zu erzeugen – und damit Relevanz zu schaffen.





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(Bilder: Evonik Industries).



Haben sie bei der Konzeption die Besonderheiten der Medien berücksichtigt?

Markus Langer: Uns war von Anfang an klar, dass die Kampagne crossmedial ausgerichtet sein musste. Die verschiedenen Medien sollten sich mit ihren spezifischen Vorteilen ergänzen. Unser Vorteil ist, dass wir eine sehr prägnante Markengestalt haben: die Verbindung einer ungewöhnlichen Farbe mit einem starken Markenzeichen und einem eigenständigen Gestaltungselement, dem Clip. Der Clip ist aus dem Schriftzug Evonik abgeleitet – eine rechteckige Form, die mit einem Halbkreis abschließt, immer im Anschnitt steht und ins Bild hineinragt. Diese Markengestalt hat uns geholfen, die Kampagne über die verschiedenen Medien zusammenzuhalten. Das Fernsehen ist natürlich unverzichtbar, wenn man sehr schnell eine hohe Bekanntheit aufbauen will, es hat eine sehr starke emotionale Kraft. Print ist wichtig, um mehr Informationen zu vermitteln und um Markentypik aufzubauen – also zu vermitteln, wie die Marke auftritt, damit sie später leichter erkannt werden kann. Das Internet hat den Vorteil, dass man die Informationen vertiefend anbieten kann, auf die man im Fernsehen und in den Printmedien neugierig gemacht hat.


In welchem Medium haben sie mit ihren Kampagnen den größten Erfolg?

Markus Langer: Wenn es nur um den schnellen Aufbau von Markenbekanntheit geht, kommen sie am Fernsehen nicht vorbei. Dort haben wir auch die besten Werte erzielt, wenn es um die Erinnerung unserer Werbung durch Testpersonen ging. Trotzdem wäre es falsch zu sagen, dass wir im Fernsehen am erfolgreichsten gewesen sind. Eine reine Fernsehkampagne würde uns nichts nützen, denn jedes Medium hat seine spezifischen Vorzüge. In unserer aktuellen Kampagne gibt es zum Beispiel einen
Werbespot, der in einem Sportgeschäft spielt. Ein Junge probiert einen Fußballschuh an und tritt dabei versehentlich gegen einen Schuhlöffel. Der Schuhlöffel geht ab wie eine Rakete und zerlegt auf eine unglaublich präzise Weise das Sportgeschäft. Am Schluss kommt die Frage: „Wer macht eigentlich, dass Fußballschuhe präzise schießen können?“ Wenn sie sich den Spot ansehen, werden sie sagen: Das ist pfiffige Werbung. Und sie werden verstehen, dass Evonik in diesem Schuh drin ist und zu der Präzision beiträgt. Aber was genau die Leistung von Evonik ist, das kann ihnen das Fernsehen nicht verraten. Das erfahren sie erst, wenn sie ins Internet gehen, wenn sie unseren Online-Werbebannern folgen oder direkt unsere Website aufrufen.




Videos: Evonik-Spots







Tun das viele? Geht die Aufmerksamkeit für die Marke also so weit, dass die Wirkung des Fernsehens bis ins Internet reicht?


Markus Langer: Wir wissen natürlich nicht, ob die Besucher unserer Website über das Fernsehen zu uns gekommen sind. Wir schalten ja auch Werbung auf den großen Websites wie Spiegel Online oder Handelsblatt.com. Aber in diesen Werbebannern sind unsere Fernsehspots eingebettet. Sie sehen den farbigen Clip und einen Teil des Werbefilms. Wenn sie mit der Maus über den Werbebereich kommen, fährt das Banner aus, und sie sehen den ganzen Fernsehspot. In einem zusätzlichen kleinen Fenster wird in fünf Sätzen erklärt, welche Leistung dahinter steckt. Wenn sie das Banner anklicken, gelangen sie zu unserem Internetauftritt, wo sie weitere multimediale Inhalte zu diesem speziellen Thema finden. Auf diese Weise haben wir sichergestellt, dass die Zielgruppe den Fernsehspots auch im Internet begegnet, so dass die beiden Medien sich gegenseitig verstärken. In den ersten vier Wochen haben unsere Online-Banner rund 54.000 Nutzer auf unsere Website gezogen.


Ihre Kampagne ist sehr präsent und richtet sich offenbar an alle. Warum muss jeder Evonik kennen?

Markus Langer: Wenn sie als Unternehmen eine starke Marke sind – also nicht nur über starke Produktmarken verfügen – dann heißt das auch, dass sie einen Vertrauensvorsprung haben in all den Zielgruppen, die sie als Unternehmen ansprechen. Das betrifft den Kapitalmarkt, aber auch den Arbeitsmarkt. Dort wird es immer wichtiger, sich als starke Marke zu positionieren. Der Kampf um die besten Talente wird immer schwieriger. Wenn man sich die Rankings der einschlägigen Wirtschaftsmagazine über die beliebtesten Arbeitgeber von Hochschulabsolventen ansieht, dann kann man feststellen, dass oben fast immer die Unternehmen stehen, die starke Marken sind. Aber das trifft natürlich genauso auf das gesellschaftliche Umfeld und auf unsere Kunden zu. Insofern macht es auch für ein Business-to-Business-Unternehmen sehr viel Sinn, in eine Unternehmensmarke zu investieren. Auf keinen Fall unterschätzen darf man auch die Wirkung, die eine solche Marke nach innen hat. Eine Marke dient auch dazu, die Mitarbeiter zu integrieren. Mitarbeiter können sich über die Marke leichter mit dem Unternehmen identifizieren, das ist ein Faktor in der Motivation.


Haben dazu nicht auch die vorherigen Marken beigetragen?


Markus Langer: Wir haben diese neue Marke eingeführt, weil wir deutlich machen wollten, dass hier ein neuer Industriekonzern entstanden ist. Vom Start weg sollte der Konzern als ein eigenständiges Unternehmen wahrgenommen werden; er sollte nicht mehr im Schatten der verschiedenen Vorgängergesellschaften stehen. Nicht im Schatten der RAG, aus der Evonik als Spin-Off hervorgegangen ist, auch nicht im Schatten der Degussa, die die Vorgängergesellschaft für das Chemiegeschäft war. Und wenn sie wieder an die Mitarbeiter denken: Wir haben eine ganze Reihe von Fusionen durchlaufen. Nehmen wir den Mitarbeiter aus Darmstadt, für den Evonik die vierte neue Marke innerhalb von zwanzig Jahren ist. In den 90er-Jahren arbeitete er noch bei einem Unternehmen, das Röhm hieß. Dann wurde das Unternehmen übernommen von Hüls. Dann fusionierte Hüls mit Degussa zur Degussa-Hüls. Und dann fusionierte die Degussa-Hüls mit der SKW Trostberg und hieß nur noch Degussa. Und jetzt kommt Evonik als neue Unternehmensmarke. Wie viel Bereitschaft können sie nach so vielen Namenswechseln von einem Mitarbeiter erwarten, sich mit der neuen Marke zu identifizieren? Ich würde sagen: so gut wie keine. Sie können nur dann eine Bereitschaft erwarten, wenn sie ihm etwas an die Hand geben, womit er sich identifizieren kann. Und da hat unsere Kampagne sehr stark nach innen gewirkt.


Was ist das wichtigste Element ihrer Einführungskampagne?


Markus Langer: Ganz wichtig ist die Markengestalt. Wir haben uns für eine Farbe entschieden, die in unserem Wettbewerbsumfeld sehr ungewöhnlich ist. Wir haben analysiert, wie die anderen Unternehmen in den Bereichen Chemie, Energie und Immobilien auftreten. Und wir haben festgestellt, dass es da einen blinden Fleck gibt, eine Farbe, die niemand benutzt. Eine Farbe, die aber gleichzeitig sehr gut zu der Markenidentität unseres Unternehmens passt. Das ist die Farbe Purpur. Purpur steht für Kreativität, für Individualität, für das Unkonventionelle. Das passt also gut zum Markencharakter eines kreativen Industriekonzerns. Purpur grenzt uns aber auch gleichzeitig maximal ab von allen anderen Unternehmen, mit denen wir im Wettbewerb stehen. Diese ungewöhnliche Farbe in Verbindung mit einem sehr prägnanten Gestaltelement, nämlich dem Clip, sorgt für eine große Aufmerksamkeit. Wie stark diese Markengestalt wirkt, sehen sie auch darin, dass wir im Juni und Juli Teil der Kampagne „Print wirkt“ in Spiegel, Focus, Stern und vielen weiteren Magazinen sein werden. „Print wirkt“ funktioniert so: Der Bundesverband der Zeitschriftenverleger bittet Unternehmen mit starken Marken, eine Anzeige zur Verfügung zu stellen, die bisher noch nicht geschaltet worden ist. Die nehmen dann das Logo, den Text und das Produkt raus und setzen in der Typographie der Marke „Print wirkt“ in diese Optik. Und wenn das eine starke Marke ist, dann erkennt das jeder. Dass wir mit Evonik jetzt schon Teil dieser Kampagne werden, ist ein ebenso ungewöhnlicher wie überraschender Erfolg. Keine andere Marke hat es bisher geschafft, innerhalb einer so kurzen Zeitspanne – in etwas mehr als einem halben Jahr – in „Print wirkt“ aufgenommen zu werden. Alle anderen Marken haben dafür Jahre oder Jahrzehnte gebraucht.


Sie waren auch sehr präsent in allen Medien.


Markus Langer: Wir haben auf eine sehr aufmerksamkeitsstarke Mediastrategie gesetzt. In den zehn Tagen vor und nach der Kampagne haben wir besonders intensiv Werbung geschaltet. Im Fernsehen konnten sie innerhalb eines Werbeblocks drei unserer Werbespots sehen. Auch in den Printmedien war das so: Im Spiegel haben wir zum Beispiel drei Anzeigen hintereinander geschaltet. In Tageszeitungen gab es montags, mittwochs und freitags Anzeigen von uns. Das ist natürlich sehr auffällig gewesen.


Zusätzlich haben sie die Marke sehr lange geheim gehalten.


Markus Langer: Das Schlüsselelement der Einführungskampagne war sicherlich die Geheimhaltung des Namens. Der Name an sich hat keine Bedeutung. Aber durch die extreme Geheimhaltung konnten wir um den Namen herum die Einführung eines neuen Industriekonzerns inszenieren. Das hat sehr gut funktioniert, weil der Name 16 Monate lang vertraulich blieb.


Wie konnte das gelingen?


Markus Langer: Nur ganz wenige Leute kannten den Namen. Und die, denen der Name vertraut war, haben ihn nie benutzt. Selbst wenn man im kleinen Kreis zusammen saß, wo jeder den Namen kannte, hat man immer nur von „N. N.“ gesprochen. Denn wenn man den Namen einmal nennt, dann liegt er auf der Zunge. Und bei der nächsten Gelegenheit rutscht er raus. Das war schon eine extreme Konditionierung. Hat bei mir dazu geführt, dass ich auch nach der Markeneinführung noch öfters von „N. N.“ gesprochen habe.


Immerhin haben sie ein Großplakat mit dem neuen Namen des Unternehmens an ihrer Firmenzentrale angebracht, wenn auch zunächst verdeckt. Daran sind viele Menschen beteiligt gewesen. Wieso hat niemand gepetzt?

Markus Langer: Die Planen wurden im Ausland produziert und aus vielen Teilen zusammengesetzt, so dass kein Mitarbeiter, der damit beschäftigt war, das große Ganze sehen konnte. Nur eine Person hat den Namen gesehen – der Mann, der den Druckprozess am Computer gesteuert hat. Und auch diese Person wusste nicht, wofür die Plane bestimmt war. Das Ganze lief unter dem Codewort „Tirol-Projekt“. Insgesamt wurden drei Schichten angelegt. Die Verhüllung hat zehn Tage vor der Einführung begonnen. Das Gebäude wurde dann nach und nach enthüllt. Erst wurde die zweite Schicht freigelegt, dort stand in weißer Schrift auf purpurnem Grund: „Guten Tag, ich bin neu hier!“. Am Tag der Bekanntgabe wurde diese Schicht dann blitzartig weggezogen, und man sah das neue Markenzeichen. Das war so gesichert, dass man auch von innen nicht erkennen konnte, was da am Haus prangte. Auf der Seite des Hauses, auf der ich arbeite, war es dadurch für zehn Tage stockduster.


Zur Einführung des Markennamens Eon hat der Konzern einfarbige Anzeigen ohne Text geschaltet und rote Plakatwände gebucht. Die Marke, wenig später veröffentlicht, sollte so zum Gesprächsthema werden. Ihre Kampagne zur Einführung der Marke Evonik funktioniert ähnlich. Wie haben sie es geschafft, die Aufmerksamkeit mit einem ähnlichen Konzept zu gewinnen? Immerhin wird ihr Publikum auch sonst von allen Seiten mit Reizen bombardiert.

Markus Langer: Solche Teaserkampagnen werden nicht oft gemacht, weil sie recht aufwändig sind. Aber wenn man eine Teaserkampagne richtig umsetzt, kann man damit sehr viel Aufmerksamkeit gewinnen. Eon ist mit seiner Einführungskampagne sicherlich am stärksten vergleichbar mit der unsrigen. Man sieht aber auch den Unterschied: Eon hat in der Teaserphase ganz auf die neue Farbe gesetzt. Wir haben neben der Farbe auch schon Leistung kommuniziert. Man hat von Anfang an Motive gesehen, die bestimmte Leistungen unseres Unternehmens auf eine verschlüsselte Weise dargestellt haben. Die Frage „Wer macht denn so was“ war doppeldeutig. Sie bezog sich einmal darauf, wer da eigentlich auftritt – aber auch darauf, wer “so was“ eigentlich macht, also: „Wer bringt einen Elefanten an die Wand“ oder „Wer lässt Seerosen in der Wüste wachsen“.


Wie halten sie die Aufmerksamkeit auch in Zukunft aufrecht?

Markus Langer: Um eine neue Marke nachhaltig in den Köpfen zu verankern, reicht eine zweimonatige Einführungskampagne sicher nicht aus. Das kann nur der Anfang sein. Man muss diese Marke immer wieder aktualisieren. Deshalb läuft im Augenblick die Fortsetzung unserer Einführungskampagne. Das Kommunikationsmuster „Wer macht denn so was? – Wir machen so was“ haben wir beibehalten, denn es hat sich in der Öffentlichkeit sehr schnell durchgesetzt und sogar zu einem geflügelten Wort entwickelt. Es ist auch ideal für uns, um die Vielfalt an Lösungen, die wir als kreativer Industriekonzern anzubieten haben, herauszustreichen und auf eine unerwartete Art zu inszenieren. Schon jetzt ist klar, dass wir die Kampagne im Herbst fortsetzen werden. Die ersten Jahre nach der Einführung betrachten wir als Jahre des Markenaufbaus, bis wir einen stabilen Sockel an Bekanntheit erreicht haben.


Die Zielgruppe ist inzwischen in der Lage, ihre Meinung ungefiltert als Text oder gar Video im Web zu veröffentlichen und sie anderen mitzuteilen. Zu ihrer Kampagne gibt es viele Beiträge in Blogs und auf Videoplattformen. Der Trendforscher Peter Wippermann behauptet, „Einwegkommunikation“ in der Unternehmenskommunikation und im Marketing verliere an Relevanz, der tatsächliche Dialog mit den Adressaten von Kampagnen werde wichtiger. Wie beobachten sie die neuen Veröffentlichungsformen im Web?


Markus Langer: Wir sind im Wesentlichen ein B2B-Unternehmen, deshalb hatten Blogs in der Vergangenheit für uns noch nicht denselben Stellenwert wie für Unternehmen, die sich direkt an den Verbraucher wenden. In der heißen Phase der Markeneinführung haben wir die wichtigsten Blogs beobachtet, aber wir haben uns nicht selbst an den Diskussionen beteiligt und auch kein eigenes Blog angeboten
.

Wie könnte sich das in Zukunft ändern?

Markus Langer: Wir werden die Beobachtung der Blog-Landschaft sicherlich systematisieren. Ob es für uns aber Sinn macht, selbst ein Blog für die breite Öffentlichkeit anzubieten, bezweifle ich. Für ein B2B-Unternehmen wäre das im Wesentlichen ein Akt symbolischer Kommunikation, der keinen anderen Nutzen hätte, als allgemeine Dialogbereitschaft zu vermitteln. Führt aber schnell in schwierige Situationen: Wie stark moderiere ich ein Blog? Setze ich mich bei jedem Versuch der Steuerung dem Vorwurf der Zensur aus? Lasse ich alles zu, nur um dem Vorwurf der Zensur zu entgehen? Muss ich nicht konsequent eingreifen, um nicht selber für die Inhalte des Blogs zur Verantwortung gezogen zu werden? Denken sie an die Diskussion über die Kommentare im Blog von Stefan Niggemeier.

Ein Blog könnte für uns Sinn machen, wo wir auf eine genau umrissene Zielgruppe treffen. Zum Beispiel, wenn das Unternehmen als Arbeitgeber im Internet auftritt und ein Blog betreibt, um mit Studenten und Absolventen zu kommunizieren. Da finden sie dann auch eine andere Ernsthaftigkeit in dem Blog, die überhaupt erst einen echten Dialog ermöglicht.


Ihre Fernsehspots laufen auch bei Youtube und anderen Videoplattformen. Dort kursieren auch simpel gemachte Parodien ihrer Marke, beispielsweise „Eronik“. Wie reagieren sie darauf?

Markus Langer: Gar nicht. Wir schauen uns das an, nehmen das mit Vergnügen zur Kenntnis und werten es als Indiz für die Durchsetzungskraft unserer Kampagne. Je mehr Parodien es gibt, umso besser: Parodiert wird ja nur das, was das Publikum mit Sicherheit sofort wieder erkennt. Und das heißt: Es ist uns tatsächlich gelungen, in einer breiten Zielgruppe Relevanz zu schaffen. Einschreiten müsste man nur dann, wenn tatsächlich eine Verwechslungsgefahr bestünde. Aber die handwerkliche Qualität der Parodien ist oft weit von der professioneller Spots entfernt. Jeder sieht sofort, dass wir das nicht selbst sind.


Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Markus Langer studierte Romanistik, Politik und Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als freier Journalist für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und den WDR, bevor er seine Kommunikations-Laufbahn als Pressereferent bei der Bertelsmann AG in Gütersloh begann. Dort entwickelte er Ende der 90er Jahre als Leiter der Online-Kommunikation unter anderem das erste Intranet des Medienkonzerns, das als „BeNet“ zu einem viersprachigen Nachrichten- und Serviceportal für rund 80.000 Mitarbeiter ausgebaut wurde. In den Jahren 2004 bis 2006 verantwortete er die Interne Kommunikation der Degussa AG in Düsseldorf. Seit Januar 2007 leitet er das Konzernmarketing der Evonik Industries AG. In dieser Funktion verantwortet er die Einführung und Steuerung der neuen Konzernmarke sowie die Markenstrategie des Konzerns.