Ausgabe 57
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Du bist die Weltkarte

Text: Malte Florian Klein    Bild: Open-Street-Map  

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Presse

 

Wenn Karl Meyer mit seinem GPS-Gerät im Auto über die Landstraßen im Münsterland fährt, hilft er den Nutzern von „Open-Street-Map“ im Internet. Denn der 44-jährige Elektrotechniker ist in seiner Freizeit ein so genannter „Mapper“. Er erfasst Straßen, Geschäfte und Bankautomaten in und um die Gemeinde Velen. „Während ich fahre, speichert das Gerät alle zwei Sekunden die Koordinatenpunkte. So zeichne ich ganze Strecken auf, wandele sie in Landstraßen um und lade sie auf die Seite von Open Street Map“, sagt Meyer. Dort ergänzen seine Punkte die schon vorhandenen Wege. Natürlich ist er nicht der erste, der an einer Karte über den 13.000 Einwohner-Ort arbeitet. Sowohl auf der Internetseite der Gemeinde als auch bei Google Maps können sich Internetnutzer Stadtpläne anzeigen lassen. Es geht auch nicht nur um Meyers Heimatort. Stattdessen soll die ganze Erde neu vermessen werden und die Karte und die dazugehörigen Koordinatenpunkte allen kostenlos zur Verfügung stehen. Dieses ungewöhnliche und ambitionierte Projekt wurde 2004 in England gegründet. Karl Meyer schloss sich drei Jahre später an, weil er auf der Suche nach einer kostenlosen Karte war, die er auf der Homepage eines Vereins einbinden wollte.

„Weltweit beteiligen sich etwa 80.000 Menschen an dem Projekt“, sagt Kai Behncke, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Geoinformatik und Fernerkundung der Universität Osnabrück. Allein in Deutschland gebe es bis zu 9.000 „Mapper“. Behncke beschäftigt sich wissenschaftlich mit „Open-Street-Map“. „Die Qualität ist sehr gut. Sie sind zwar nicht ganz so genau wie die Liegenschaftsdaten der einzelnen Gemeinde, aber sie reichen für viele Zwecke.“ Er kennt einen ganz entscheidenden Vorteil des Projekts. „Open-Street-Map“ verfügt über eine unglaubliche Vielfalt von Daten. Sie sehen also nicht nur Straßen und Parks, sondern auch Telefonzellen, Briefkästen und Restaurants.“ Der Wissenschaftler beteiligt sich auch an dem Kartenprojekt. Dass viele Mapper ohne kartographische Ausbildung mit ihren GPS-Geräten ausschwärmen, sieht Behncke nicht als Problem. „Es funktioniert nach dem Wikipedia-Prinzip und profitiert von der Vielzahl der Nutzer.“ Er nennt ein Beispiel: „Wenn ich einen Waldweg entlang jogge, der bei Open Street Map aber als Teerstraße eingetragen ist, korrigiere ich die Daten später.“

Doch das Projekt ist noch unvollständig und in Teilen Deutschlands hat noch niemand Landstraßen, Fußwege und Kontoautomaten erfasst. „Die meisten weißen Flecken gibt es dort, wo die Bevölkerungsdichte gering ist, also in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, aber auch in Teilen Niedersachsens.“ Für das Emsland kann Mapper Meyer dies bestätigen. „Das wächst aber.“ In Papenburg an der Ems gibt es in Wirklichkeit zwischen den Straßen Hauptkanal, Russellstraße und der Rheiderlandstraße noch Wohnstraßen wie Am Kamp und Meyers Tannen. Auf „Open-Street-Map“ fehlen sie und die Rheiderlandstraße endet im Nirgendwo. Extremer ist es an der polnischen Grenze. Der kleine Ort Grambow mit dem Bahnhof, dem Supermarkt und den Wohnstraßen ist noch gar nicht erfasst. Auf weißem Grund steht nur der Ortsname. Die nahe Staatsgrenze und die Eisenbahntrasse sind aber eingezeichnet. Um diese Lücken zu füllen, strömt die „Open-Street-Map“-Community aus und sammelt neue Daten. Das kann gerade am Wochenende zu lustigen Situationen führen, weiß Meyer aus Erzählungen von Kollegen. „Stellen Sie sich vor, die Anwohner im Wohngebiet arbeiten im Vorgarten und da kommen Leute mit GPS-Geräten vorbei und gehen in jede Stichstraße rein, da gucken die schon komisch.“ Er selbst ist aber noch nicht angesprochen worden.

Das Gebiet um Velen hat Meyer schon intensiv kartografiert, trotzdem hat er noch einiges im Münsterland vor. „Ich plane, in Zukunft noch Wegkreuze zu erfassen und auf der Karte einzutragen.“ Wann die Karte der gesamten Welt fertig sein wird, kann Behncke nicht abschätzen. „Es gibt nicht überall GPS und Internet, das man braucht, um die Karten hochzuladen. Ich gehe davon aus, dass es eine komplette Weltkarte nicht geben wird.“ Die Europakarte könnte aber in etwa zwei Jahren fertig sein, schätzt der Wissenschaftler. Meyer hat schon von dem Programm und seinen eigenen Touren mit dem GPS-Gerät profitiert. Auf die Homepage seines Heimatvereins hat er die Karte, an der er mitgewirkt hat, hochgeladen.

Der Autor




Malte Florian Klein

Malte Florian Klein (Dipl.-Geogr.) ist 1979 in Bremen geboren worden. Schon während seines Studiums der Geographie, Kommunikationswissenschaft und Politikwissenschaft in Münster arbeitete er als Journalist. Er schrieb frei für die Münstersche Zeitung, Neue Gegenwart und die Welt kompakt. Praktika absolvierte er beim Weser-Kurier, im Bremer Korrespondentenbüro der Zeitung Die Welt, in der Bundesredaktion der Bild-Zeitung und bei Geo Special. Nach dem Ende seines Studiums im Sommer 2008 arbeitet er wieder als freier Journalist für verschiedene Medien.